Unsere Stars – Teil 3
Wer waren oder sind die Stars unserer Musiker*innen? Irina Pak, Frank Sanderell und Ursula Sarnthein verraten ihre Favoriten.
Irina Pak, 1. Violine
«Ich hatte nie Stars im klassischen Sinn im Kopf und war auch kein Fan von bestimmten Personen. Ich habe sogar meine Mutter angerufen, um sicherzugehen, dass ich nicht doch jemanden vergessen habe. Aber sie erinnert sich ebenfalls nicht daran. Ich bin in Sibirien aufgewachsen, als sogenanntes Wunderkind. Die Geige war von Anfang an mein Leben. Durch sie kam ich auf die Bühne, und die Bühne ist für mich bis heute das stärkste Mittel – sie gibt mir alles, was ich brauche. Vielleicht waren damals tatsächlich die Geige und die Bühne meine ‹Stars›.
Als meine ersten und wichtigsten Vorbilder möchte ich meine Eltern nennen. Sie waren meine Inspiration und sind es bis heute. Durch meine Mutter und meine Schwester fand ich zur Musik, zur Geige. Später kamen meine Lehrer und Professoren hinzu, darunter Zakhar Bron, die mich musikalisch und persönlich sehr geprägt haben.
Die Musik selbst war meine Welt. Vivaldi, Mendelssohn, Bruch, Tschaikowsky, Paganini, Bach – alles, was ich als Kind gespielt habe, hat mich tief bewegt. Doch nicht die Komponisten waren wichtig für mich, sondern die Musik an sich.
Zu Hause hatten wir viele Schallplatten, mein Vater war kein Musiker, aber er liebte Musik. Ich bin gross geworden mit den Klängen von David Oistrach, Leonid Kogan, Isaac Stern – ihre Aufnahmen habe ich oft gehört. Pop- und Rockmusik war ebenfalls präsent: ABBA, die Beatles, Pink Floyd – das lief bei uns ständig. Vielleicht waren auch sie auf ihre Art meine ‹Stars›, wenn ich ‹Dancing Queen› oder ‹Gimme! Gimme! Gimme!› hörte. Beim tonhalleCRUSH habe ich übrigens einmal ein ABBA-Set gespielt, natürlich im entsprechenden Outfit! Bis heute habe ich kein Bedürfnis nach Starkult. Ich finde meine Inspiration im Alltag, bei den Menschen um mich herum. Es gibt so viele, die mich durch ihr Tun, ihre Haltung oder ihre Energie beeindrucken – das sind meine Stars.»
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Frank Sanderell, Solo-Kontrabass
«Wer meine Idole sind? Da kommen mir auf Anhieb fünf Namen in den Sinn. Wenn ich mir überlege, warum es genau diese fünf sind, finde ich vor allem eine Gemeinsamkeit: Wahrhaftigkeit! Es sind lauter Leute, die sagen, was sie zu sagen haben, ohne dass ihr Ego oder versteckte Motivationen dabei Regie führen.
Der erste ist Eric Blair, besser bekannt als George Orwell. Ich habe fast alles von ihm gelesen, wobei er mich als Romanautor weniger beeindruckt denn als leidenschaftlich kühler Denker und Essayist. Er konnte über die perfekte Zubereitung einer Tasse Tee genauso nüchtern und klar schreiben wie über seine Erfahrungen im Kampf gegen die Faschisten im Spanischen Bürgerkrieg oder über sein Leben ganz ohne Geld in Paris und London.
Auch Pablo Casals, mein Idol Nummer zwei, trat im Spanischen Bürgerkrieg als Gegner Francos auf. Schon als Schüler war ich ebenso fasziniert von der Noblesse und Freiheit in seiner Interpretation der Bach-Suiten wie von seinem Einsatz für Frieden und Demokratie.
Der dritte Name ist der von Dietrich Fischer-Dieskau. Kaum jemand ist beim Liedgesang so weit gegangen im Ausdruck wie er, und doch war es nie Selbstzweck. Das verbindet ihn mit Janine Jansen, der vierten Person auf meiner Liste: Ich kann es nicht fassen, dass sie so kompromisslos spielen kann – und dennoch in keinem Moment die Kontrolle verliert.
Mein fünftes Idol ist Domenico Dragonetti, ein Kontrabass-Spieler im 18. Jahrhundert, der ein unglaublicher Virtuose war, aber nicht wie Paganini als reisender Solist die Sensationslüsternen bediente, sondern sich vor allem als Ensemble-Spieler engagierte. Ich bin auf ihn gestossen über meinen Lehrer Klaus Stoll, der ein Instrument aus Dragonettis Sammlung besass und ein ganz ähnlicher Typ war – ihn müsste ich eigentlich als Nummer sechs auf meine Liste schreiben.
Und dann fällt mir jetzt grad noch mein leider pensionierter Automechaniker Hans Schneebeli ein. Ich bin immer glücklicher aus seiner Werkstatt herausgekommen, als ich hineingegangen bin. Und ich vergesse nie, wie er mir einmal sagte: ‹Für en Düütsche bisch ganz ok.›»
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Ursula Sarnthein, Viola
«Wenn Fan-Sein bedeutet, dass man Poster an die Wände hängt, dann war ich nie Fan von irgendjemandem. Wenn man aber ein Fan von einem Komponisten des 18. Jahrhunderts sein kann, war ich das wohl – als Primarschülerin: Eine Mozart- Biografie für Kinder hatte es mir so sehr angetan, dass ich mir vorstellte, wie es wäre, wenn er in der heutigen Zeit zu Besuch käme, und was ich ihm alles zeigen würde, vom Lichtschalter bis zum Telefon.
Mein frühestes ‹lebendiges› Interpreten- Idol war Itzhak Perlman. Als ich etwa elf Jahre alt war, kaufte ich mir für lange angesparte 27 D-Mark eine Musikkassette mit seiner Aufnahme eines Paganini-Konzerts. Damals hat mich Virtuosität total fasziniert, und lange dachte ich, sie sei das Wichtigste für das Geigenspiel. Inzwischen beeindruckt mich ganz anderes.
Ein Schlüsselmoment war für mich, als ich einmal Mendelssohns ‹Italienische Sinfonie› mit Nikolaus Harnoncourt hörte – da wusste ich, dass dies die Richtung ist, in die ich mich bewegen möchte: dieses lebendige, sprechende Musizieren, die intensive, bedingungslose Suche danach, wie der Komponist es in seiner Zeit gemeint haben könnte. Seitdem bin ich Fan der historischen Aufführungspraxis. Leider habe ich nie unter Harnoncourt gespielt.
Was für ein Glück, dass es noch mehr solche Musiker*innen gibt und dass wir mit ihnen arbeiten können! Ganz sicher bin ich Fan von Giovanni Antonini, Franz Welser- Möst und Janine Jansen – und noch von vielen anderen!
Ein wichtiges nicht-musikalisches Vorbild für mich war mein Vater. Er war ein unglaublich freundlicher Mensch, der mit allen gut auskam, der aber auch im entscheidenden Moment – und immer respektvoll und sachlich – seine Meinung sagen konnte, wenn es nötig war. Sein klares Einstehen für das, was er als richtig empfand: Das habe ich sehr bewundert.»




