
Pärt, Rameau, Brubeck: Paavo Järvis Wunschkonzert
Bis am 22. März sind wir auf Europa-Tournee. Was wir dabei erleben, erfahren Sie hier im Blog.
Dienstag, 18. März 2025 – Paris
In Paris begann der Tag von Paavo Järvi früh – mit einem Radio-Interview. Michaela Braun war dabei.
Pariser Morgen
Dienstagmorgen, 7 Uhr: Ein Espresso und los geht es, zu Radio France an der Avenue J.F. Kennedy. Paavo Järvi ist zu Gast in der Morgensendung bei France Musique. Jeden Morgen ist ein anderer Künstler live im Studio. Heute wird Paavo 30 Minuten über seine Tätigkeit beim Tonhalle-Orchester Zürich erzählen, auch über Aufnahmen, den Saal in Paris und die Werke, die er ausgesucht hat. Der Einstieg ist allerdings politisch. Da er den amerikanischen Pass besitzt, wird er sogleich auf Donald Trump angesprochen. Gott sein Dank hat der Übersetzer uns vorab erzählt, dass er auch für die OECD mit Sitz in Paris übersetze – er war somit vertraut mit politischen Themen. Nach dem Statement zu Trump geht es dann aber doch schnell zur Musik.
Bevor Paavo Järvi 2010 als Chefdirigent nach Paris kam, war Sibelius nicht auf der französischen Musiklandkarte. Er war der Erste, der dessen Sinfonien mit einem französischen Orchester einspielte und darauf insistierte, dass auf dem Cover der Eiffelturm abgebildet werde. Beides ein Novum. Auf die Frage, warum es CD-Einspielungen auch heute noch brauche, entgegnet er im Radio-Interview, dass es die CD (oder Spotify) überall hinschaffe. Wir hören einen Ausschnitt aus Mahler 5 (Adagietto) – dazu meint er, das Orchester könnte sich nun nicht im Studio aufstellen, wir hätten gar keinen Platz, aber die CD liesse sich doch anhören und man könne sich ein Bild von der Qualität des Orchesters machen. «Eine CD ist die kleine Postkarte des musikalischen Lebens». Sie seien auch Zeitaufnahmen des Jetzt. Der Komponist habe seine Werke hinterlassen, und unser Vermächtnis seien eben die Aufnahmen.
Weiter sagt er, es sei ein Glück, einen Saal wie die Tonhalle Zürich zu haben. Sie sei ein Partner und ein weiteres Instrument zugleich – ein Ort, an dem man proben könne und an dem gleichzeitig die Konzerte stattfänden. Über die Philharmonie de Paris, die er vor genau zehn Jahren eröffnet hat, wird natürlich auch gesprochen.
Dazu gibt es Wünsche: Einen von Antônio Carlos Jobim, dessen Musik Paavo «so cool, so sexy» findet. Dazu hören wir Pärts «Credo», ein Stück von Rameau (eingespielt von unserem Solisten der Tournee – Víkingur Ólafsson) und «Take Five» von Dave Brubeck.
Das Radio-Team hat gut recherchiert. Zum Abschluss wird Paavo Järvi auf seine jährlichen Kommentare zum European Song Contest auf Social Media angesprochen. Seine Meinung dazu: «It’s a joke, but I love it.»
Hier können Sie das Radio-Interview mit Paavo Järvi und ein vierteiliges Special über das Tonhalle-Orchester Zürich nachhören.
Dienstag, 18. März 2025 – Paris
Nach dem erfolgreichen Auftakt in Hamburg ist das Orchester nun in Paris angekommen. Und in einem Hotel, an das die Bratschistin Ursula Sarnthein sehr bewegte Erinnerungen hat.
Partageons nos emotions!
So stand es auf dem riesigen Fussballstadion Stade de France, an dem wir auf der Busfahrt vom Pariser Flughafen zum Hotel vorbeifuhren. Unser «Stadion» heute Abend bietet zwar nicht 80'000, sondern nur 1600 Menschen Platz, aber die von aussen silbrig glänzende Philharmonie de Paris von 2015 ist ein faszinierender Ort, um unsere Emotionen zu teilen.
Emotionale Erinnerungen
Als ich das grosse Eingangstor des Hotels beim Gare du Nord sah, war ich plötzlich 27 Jahre zurückversetzt, denn wir logieren in genau dem Hotel, in dem ich 1997 eine zweiwöchige Probenphase des Gustav-Mahler-Jugendorchesters unter Pierre Boulez verbrachte!
Ich sehe mich noch mit meinem Koffer und dem Geigenkasten am Hoteleingang ankommen, freundlich begrüsst vom dem lustigen englischen Posaunisten, der später mit dafür verantwortlich war, dass das Gustav-Mahler-Jugendorchester in diesem Hotel Hausverbot erhielt – etwas gar wild waren die Parties, die dort zwischen den Proben gefeiert wurden …
Das Hotel ist inzwischen renoviert, schön fröhlich und quietschbunt, laut Eigenwerbung zeichnet es sich «durch farbenfrohe Street-Art-Wandgemälde» aus, «von lokalen Helden des 10. Bezirks inspiriert».
In diesem Hotel bereitete ich mich damals neben den Proben auf mein allererstes «richtiges» Probespiel beim Tonhalle-Orchester Zürich vor – zwei Wochen nach der 6-wöchigen Tournee des GMJO wollte ich mein Glück versuchen.
Im GMJO lernte ich dann einen Schweizer Kontrabassisten namens Oliver Corchia kennen, der gerade kürzlich das Probespiel beim Tonhalle-Orchester gewonnen hatte, und der mir anbot, dass ich im September in Zürich dann bei ihm übernachten könne. Meine Pultnachbarin war eine junge Geigerin aus Dresden, Ulrike Schumann, die dann im Jahr 2001 das Probespiel bei uns gewann und fortan auch im Tonhalle-Orchester neben mir sass! Seit 27 bzw. 24 Jahren sind wir nun alle drei Mitglieder des Tonhalle-Orchesters Zürich – das unseres Wissens noch nie Hausverbot in einem Hotel erhalten hat…
Jetzt noch ein Stündchen üben (der über dem Bett thronende Plüschfrosch und meine Zimmernachbarn werden sich freuen!), ein sonniger Spaziergang durch Paris – Place des Vosges bis Centre Pompidou haben die Flötistin Haika Lübcke und ich geplant – und dann auf zum Emotionen teilen auf der Bühne im Stade de la Musique!
Montag, 17. März 2025 – Hamburg
Jubel für Paavo Järvi, für den Solisten Víkingur Ólafsson und für das Orchester: Der Auftakt zur aktuellen Tournee ist in der Hamburger Elbphilharmonie nach Wunsch geglückt. Michaela Braun, Leitung Marketing und Kommunikation, war dabei – und erzählt hier, was auf und neben der Bühne geschah.
Wasser, nicht Wodka
Immer wieder Hamburg, zum vierten Mal spielen wir hier, seit dieser traumhafte Konzertsaal respektive dieses einmalige Haus 2017 eröffnet wurde. Die Elbphilharmonie fasziniert immer noch, man fühlt sich zu jeder Tages- und Abendzeit wie an einer Pilgerstätte. Tausende Besucher*innen besuchen täglich die Plaza. Die Konzertkarten gehen weg wie warme Brötchen, und so waren auch unsere beiden Konzerte seit Wochen ausverkauft. Wir treffen beim ersten Konzert auf unseren Sponsor LGT Private Banking, der zahlreiche Kund*innen eingeladen hat.
Unser erstes Konzert ist moderiert. Man versuche, Nähe zu schaffen und Einsteigern Schlüsselwerke der Klassik zu präsentieren, sagt Burkhard Glashoff, der Geschäftsführer von Pro Arte; er veranstaltet solche Abende fünf bis sechs Mal pro Saison. Die Konzertpreise werden nicht nach unten korrigiert, um ein allfälliges Interesse zu steigern, nein, ein Konzert habe seine Wertigkeit. Víkingur Ólafsson stellte sich den Fragen auf der Bühne. Nachdem er klarstellte, dass in seinem Glas kein Wodka sei, sondern nur Wasser, und erzählte, warum er nicht Handball spiele, ist nach zwei Zugaben die Stimmung prächtig.
Am zweiten Abend – mit einem durchaus anspruchsvollen Programm mit Werken von Lutosławski, Ligeti und Adams – drehte das Publikum beim Applaus total auf. Paavo Järvi, der hier oft zu Gast ist, meinte, dass er so einen frenetischen Jubel mit Standing Ovations noch selten erlebt habe. Intendantin Ilona Schmiel und Marc Barwisch, Leitung Künstlerischer Betrieb, haben in der Zwischenzeit die nächsten Konzerte 2026 schon wieder eingetütet. Beide Seiten dürfen sich darüber freuen.
Und sonst so in Hamburg?
Hamburg ist im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Städten in der glücklichen Lage, dass die Bürgerschaft Ende letzten Jahres den Doppelhaushalt für 2025 und 2026 beschlossen hat, mit einem Plus von 11 Prozent für die Kultur. Das bedeutet ganz viel Planungssicherheit für die Kultureinrichtungen.
Das grosse Thema aktuell ist hier der Bau einer neuen Oper, finanziert aus privater Hand, in der boomenden Hafencity. Architektonisch soll natürlich auch dieses Gebäude herausragend sein und ein weiterer Leuchtturm der Stadt werden. Jetzt muss nur noch die Bürgerschaft dem Vertrag zwischen Stadt und dem Mäzen zustimmen.
Samstag, 15. März 2025 – Zürich
Heute geht es los. Hamburg, Paris, Frankfurt, Köln und Essen: Dies sind die Stationen der bevorstehenden Tournee. Mit dabei ist an den ersten vier Orten der Pianist Víkingur Ólafsson, der nach der Schweizer Premiere von John Adams' Klavierkonzert «After the Fall» nun auch noch die deutsche und die französische Erstaufführung des Werks spielt. In Essen wird er abgelöst von Anna Vinnitskaya, die wie kürzlich in Zürich Schumanns Klavierkonzert präsentieren wird.