Fünftes Kind, dritte Solokarriere
Der Name Kanneh-Mason steht für musikalisches Talent und für eine Familie, die an einem Strang zieht. Nun stellt sich Jeneba dem Zürcher Publikum vor.
«Ich wollte vier Kinder und Stuart wollte drei Kinder.» Das war zunächst die Absprache zwischen Kadiatu Kanneh-Mason und ihrem Mann, über die sie in Catharina Klebers Dokumentarfilm «7 Leben für die Musik» berichtet. Vier plus drei macht sieben, und sieben musikalisch aussergewöhnlich talentierte Kinder bekam das Paar. Ihr Sohn Sheku war der erste, der 2018 ins Rampenlicht katapultiert wurde, als er bei der Hochzeit von Meghan Markle und Prinz Harry Cello spielte. Zwei Monate davor hatte er beim Tonhalle-Orchester Zürich sein Debüt gegeben. Die älteste Tochter Isata stellte sich 2022 als Pianistin dem Zürcher Publikum vor. Und nun ist die 20-jährige Jeneba als nächste Pianistin aus der Familie bei uns zu erleben, in der Entdeckerreihe Série jeunes, mit einem virtuosen Programm zwischen russischer und deutscher Klavierschule.
Die Musik als Klammer
In einem Interview von «Bloomberg Equality Summit» erzählte Mutter Kadiatu, dass Musik eine sehr gute Klammer sei, um die neunköpfige Familie am Laufen zu halten: Alle teilen dieselbe Passion, die Älteren unterrichten die Jüngeren, und kulturelle Bildung war ihr als ehemalige Akademikerin schon immer wichtig.
Die Familie lebt im mittelenglischen Nottingham, und als das Talent der Kinder zum Vorschein kam, standen Unterrichtsstunden in London an. In den intensivsten Zeiten nahmen Vater Stuart oder Mutter Kadiatu am Wochenende mit fünf Kindern um sechs Uhr morgens den Zug nach London und am Abend den Zug zurück.
Konzerte plus Studium
Liebevoller Umgang, Kameradschaft, Freundlichkeit und Respekt sind Grundwerte bei den Kanneh-Masons. Wie sich diese Werte herausbildeten und welches die kulturellen Hintergründe der Familie sind, erzählt Kadiatu Kanneh-Mason in ihrem preisgekrönten Buch «House of Music». Es ist aber auch eine Schilderung darüber, dass man in Grossbritannien als Person of Color für die eigenen Ziele besonders hart arbeiten und einen enormen Willen aufbringen muss.
Jeneba ist das fünfte Kind und die dritte Musikerin in der Familie, die nun eine Solokarriere startet. Sie ist bereits gut ausgelastet – am Abend vor unserem Gespräch spielte sie live zur besten Sendezeit bei BBC Radio 3, zwei Tage später gab sie ein Konzert irgendwo in England. Dazwischen erzählt sie von sich und ihren Plänen: «Ich mag es sehr, für unterschiedliche Menschen zu spielen und immer neues Repertoire zu erkunden.» Neben den Konzerten liegt ihr Fokus auf ihrem Klavierstudium am Royal College of Music in London. Auf die Frage, ob man sich bei sieben talentierten Geschwistern durchsetzen muss, antwortet sie: «Wir haben ja unterschiedliche Interpretationsideen, das macht uns zu Individuen.» Als ihr bisheriges Karriere-Highlight empfindet sie ihr Debüt beim renommiertesten Musikfestival Englands, den BBC Proms. Dort trat sie 2021 mit dem Chineke! Orchestra auf, in dem ausschliessliche dunkelhäutige oder ethnisch gemischte Musiker*innen mitwirken.
Kurz vor ihrem Zürcher Debüt steht ein Familienprojekt an: «Die Eltern meines Vaters kommen aus Antigua, ich habe dort Verwandtschaft, und wir werden mit einem Jugendorchester musizieren. Eine Mischung aus Urlaub und Arbeit also.» Und wie geht es weiter? Dazu kann man noch einmal die Mutter Kadiatu zitieren: «In unserer Familie machen wir alle alles gleichzeitig. Aber wir versuchen, alles Tag für Tag zu nehmen. Man würde ja sonst vor lauter Stress eingehen.» Vielleicht liegt das Geheimnis dieser Familie in diesem Spirit?
Dok-Film
Den erwähnten Dokumentarfilm «7 Leben für die Musik - Die Familie Kanneh-Mason» können Sie hier online anschauen.