«Erfolg hat eine enorme Bedeutung in Südkorea»
Bald gastiert das preisgekrönte südkoreanische Streichquartett Novus String Quartet in der Série jeunes. Weshalb Südkorea derart viele Stars hervorbringt, erklärt Solo-Hornist Mischa Greull, der den Markt bestens kennt.
In unserer Série jeunes gehört Nachwuchstalenten die Bühne. Seit seiner Gründung 2007 an der Korea National University of Arts zählt das Novus String Quartet zu den besten Kammermusikensembles einer Region, das für ihre Dichte an internationalen Stars bekannt ist. Mischa Greull, Solo-Hornist im Tonhalle-Orchester Zürich, kennt den dortigen Musikmarkt bestens. Gemeinsam mit seiner Frau Seung-Yeun Huh, geboren und aufgewachsen in Seoul, hat er die Agentur SonusArts gegründet und begleitet Berufsmusiker*innen mit individuellem Coaching und organisiert Konzerte für Solist*innen und Ensembles im ganzen Land.
Mischa Greull, wie kommt es, dass Südkorea derart viele international hoch erfolgreiche Musiker*innen hervorbringt?
Koreaner*innen lieben Stars. Internationale Anerkennung ist ein Qualitätsmerkmal und wird in Südkorea mit grossem Aufwand angestrebt. Ein Agrarstaat ist innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem hochindustrialisierten Land geworden, das setzt in allen Bereichen eine grosse Leistungsbereitschaft voraus. Vorbehalte, die wir hier in der Schweiz kennen, wenn es um Höchstleistung geht, existieren in Südkorea so nicht.
Weshalb ist das wohl so?
In Bezug auf die Musikerziehung herrscht in der Schweiz meist der Konsens, dass die Freude daran das Wichtigste ist. Der Durchhaltewille, auch in schwierigen Momenten beim Üben des Instrumentes dranzubleiben, wird dadurch nicht unbedingt gestärkt. In Korea werden Kinder ab ihrer Geburt gefördert und von Beginn weg auf Leistung getrimmt. Erfolg hat eine enorme Bedeutung in Südkorea, was aber im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass nicht mit Freude musiziert wird.
Was geschieht mit jenen, die es nicht an diese Spitze schaffen?
Wer es nicht dahin schafft, hat wenig Möglichkeiten, finanziell zu überleben. Nur wer einen Leistungsausweis hat, füllt dort den Saal. Wir versuchen unter anderem, mit unserer Vernetzung vor Ort lokalen Musiker*innen eine Chance zu geben, die noch keine internationalen Stars, aber bereits sehr weit sind, und hoffen, so etwas gegen diese grosse gesellschaftliche Schere zu tun.
Zurück zur hohen Dichte an Erfolgsgeschichten. Es wird also stark in die Begabtenförderung investiert?
Ja, man erkennt in Südkorea das wirtschaftliche Potential der klassischen Musik. Kompetitiv ist die klassische Musik natürlich auch in Westeuropa. In der südkoreanischen Kultur ist Wettbewerbsfähigkeit aber positiver gewertet. Die Schattenseite ist, dass gesundheitliche Risiken bei Kunstschaffenden weitgehend tabu sind, noch stärker als hier. Auch da versuchen wir, mit SonusArts mittels Gesundheitscoaching den Künstler*innen Wege aufzuzeigen, möglichst lange und unbeschwert zu musizieren.
Sind Leistungsbereitschaft und Ehrgeiz nicht Eigenschaften, die eher einer solistischen als einer kammermusikalischen Karriere wie jener des jungen Ensembles Novus String Quartet dienen?
Nein, intim und kammermusikalisch zu musizieren und Ehrgeiz, das sind keine Gegensätze. Auch als Ensemble hilft das gemeinsame Ziel an die internationale Spitze. Wie hier auch schickt man die Besten rechtzeitig ins Ausland zur Entwicklung der Karriere. Ausnahmekünstler*innen in der ganzen Welt sind ein wichtiges Aushängeschild.