Kabardinische Begegnungen
Die Festtags-Matinee am Ostermontag führt gen Osten. Mattia Zappa, Cellist im Tonhalle-Orchester Zürich, berichtet von seiner Beziehung zu Georgien und den Hintergründen zu diesem Programm.
Mattia, das wird ein persönliches Konzert. Du warst im Kaukasus und in Georgien unterwegs.
Ich konnte letztes Jahr im Rahmen einer Tanzproduktion in Tiflis die georgische Kultur entdecken. Die Menschen haben einen freundlichen und warmen Umgang miteinander, die georgische Kultur ist sehr reich, und ich fühlte mich dort unglaublich wohl. Im Sommer werde ich für Duokonzerte mit der Pianistin Irina Vardeli zurückkehren. Mein ehemaliger, nun pensionierter, Kollege David Goldzycher, hat das Land ebenfalls bereist und dieses Konzertprogramm zusammengestellt. Wir sind Feuer und Flamme.
Auf dem Programm steht das Streichquartett Nr. 4 von Alexi Matschawariani. Wer war er?
Alexi Matschawariani war ein Freund von Dmitri Schostakowtisch und einer der bedeutendsten georgischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er und Sulchan Zinzadse, der ebenfalls auf unserem Programm steht, waren zu ihren Zeiten Direktoren des nationalen Musikkonservatoriums. Sie sind heute georgische Nationalhelden. Mein Ensemblekollege David Goldzycher traf den Sohn von Matschawariani und liess sich unveröffentlichtes Notenmaterial zeigen. Kleine Perlen. Diese Begegnung hat unser Programm zusätzlich inspiriert. In Matschawarianis Streichquartetten kann ich die Atmosphäre wieder aufleben lassen, die mich an meine Zeit in Georgien erinnert. Aufgrund unserer persönlichen Erfahrungen, haben wir den Anspruch, diese Musik authentisch wiederzugeben.
Wie erlebst du diese Musik?
Für ein Streichquartett ist das kein gängiges Konzertrepertoire. Ich finde es sehr inspirierend. Die Musik, die wir ausgewählt haben, basiert teilweise auf volkstümlichen Material. Die Werke von Alexi Matschawariani und Sulchan Zinzadse widerspiegeln ihre grosse Liebe zu ihrer Heimat, zu ihrem Land und auch eine gewisse Melancholie. «Suliko» beispielsweise bezeichnet sowohl einen Satz in Matschawarianis Streichquartett Nr. 4 als auch einen in Zinzadse «Miniaturen». Mit «Suliko» ist ursprünglich ein Trauergesang am Grab gemeint. In diesen Kompositionen klingt auch eine metaphorische Ebene an: Georgien hat eine Besatzungsvergangenheit. In «Suliko» kommt die Trauer über das Leid und die politische Unterdrückung im Heimatland zum Ausdruck.
Ihr spannt den thematischen Bogen zu einem dritten Werk: Sergej Prokofjews Streichquartett Nr. 2 «über kabardinische Themen», wie es im Zusatz heisst. Was hat es damit auf sich?
Prokofjew lebte während des Zweiten Weltkriegs im Kaukasus. Als Komponist von nationalem Rang wollte man ihn so vor den politischen Umwälzungen und den Gefahren des Kriegs schützen. Er setzte sich in dieser Zeit mit der reichen folkloristischen Musik auseinander und verarbeitete die reiche Chortradition in seinen eigenen Kompositionen. Das Streichquartett ist ein sehr komplexes Werk, das unglaublich schön und intelligent gebaut ist; für mich ist es ein Meisterwerk. Man findet darin das ganze Universum, verschiedene Facetten von menschlichen Launen und Emotionen. Im Livekonzert wird man den Aufbau des Werks sehen und hören, den komplexen Wechsel von Geigen, Bratsche und Cello. Das Werk sprudelt nur so vor Energie und Schönheit, ist aber ziemlich schwer zu spielen. Als Quartett-Musiker*in muss man die Partitur komplett verinnerlicht haben, um genau zu wissen, was um die eigene Stimme herum passiert. Und um zu diesem Punkt zu kommen, führten wir das Programm bereits an anderen Orten auf. Ich freue mich sehr auf das Konzert und diese musikalische Reise in den Kaukasus zusammen mit meinen Tonhalle-Orchester Kollegen*innen.